Freitag, November 02, 2007

Genussometer Update

"Was bedeutet es Ihnen, dass Ihr Kind genießen kann?" Diese Frage stellte das BDSI Genuss-O-Meter 2007 über 1.000 Eltern mit Kindern im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren. Das Ergebnis fällt auf den ersten Blick positiv aus: Nahezu die Hälfte der befragten Eltern sagt, sie achteten darauf, dass ihre Kinder bewusstes Genießen lernen und Freiraum dafür haben. Weiteren 17 Prozent ist das Genießen der Kinder ebenfalls wichtig, sie sind allerdings der Ansicht, dies könnten die Kinder von ganz allein. Für die Mehrheit der Eltern ist Genuss also ein Thema und im Blick.

Ein Drittel aller in der Umfrage erfassten Mütter und Väter hat sich darüber hingegen noch gar keine Gedanken gemacht. Dr. Rainer Lutz, Psychologe und Genussforscher an der Philipps-Universität Marburg, vermutet, dass viele der "Gedankenlosen" selbst nie gelernt haben, bewusst zu genießen und dem deshalb keine besondere Bedeutung beimessen. In dieser Gruppe finden sich vermutlich auch "Familiensysteme", in denen die Kinder "leider nur mitlaufen und für deren Eltern das Thema 'Wohlbehagen ihrer Kinder' nicht so sehr eine Herzensangelegenheit ist", so Lutz.

Etwa die Hälfte der Eltern scheint davon auszugehen, dass sich Genussfähigkeit von allein entwickelt. "Das ist mitnichten so", erklärt Lutz. "Ohne Schulung der Sinne ist weder Genuss noch eine Entfaltung positiver Emotionen möglich." Ohne Erfahrung kein Genuss, besagt denn auch eine von sieben goldenen Regeln der "Kleinen Schule des Genießens". Sie wurde an der Marburger Philipps-Universität entwickelt. Am Beispiel "Kochen lernen" erläutert Lutz, was es mit der Regel auf sich hat: "Nehmen wir die Zubereitung von Tomatensauce zu Spaghetti. Beim gemeinsamen Komponieren finden die Kinder heraus, welche Menge von welchem Gewürz die richtige ist, damit es gut schmeckt. Wer es schließlich weiß, kann sich ganz gezielt den Wunsch nach einer Geschmacksnuance erfüllen. Differenzierungen dieser Art müssen in der Regel erlernt werden", führt Lutz aus. Deshalb sei es wichtig, möglichst alle Sinne der Kinder so früh wie möglich zu stimulieren, sie Erfahrungen sammeln zu lassen und "bewusstes Genießen" gezielt zu trainieren. Dafür spricht außerdem, dass ein Mensch mit geschulten Sinnen normalerweise auch über eine höhere emotionale Intelligenz verfügt und "mit Sicherheit ein sozialeres, kommunikativeres Wesen sein wird", so der Marburger Genussforscher.

Aktives Genießen contra passive Berieselung

Das dritte BDSI Genuss-O-Meter 2007 bringt weitere positive Nachrichten hervor: So sagen 86 Prozent der Eltern auf die Frage, was ihr Kind genießt, dass es das Toben mit Freunden draußen an der frischen Luft sei. "Das Bild des 'aktiven Genießens' ist in der Familie also positiv besetzt - das macht Hoffnung", freut sich Lutz, hinterfragt allerdings gleichzeitig: "Ob es tatsächlich so gelebt wird, ist im Zeitalter Freizeit bestimmender Videos, DVDs und PC-Spiele fraglich." Immerhin steht bereits bei bis zu zwei Dritteln aller 6-Jährigen ein Fernseher im Kinderzimmer.

Beruhigend: Viele Eltern sind bereit, aktive und damit mitmenschliche Genussformen zu pflegen. "75 Prozent der befragten Eltern mit Kindern bis 6 Jahren berichten zum Beispiel, dass es ihre Kinder genießen, mit ihnen gemeinsam in einem Buch zu lesen und zu schmökern", freut sich Lutz. Aus solchen, auch eher "entschleunigenden", alltäglichen Genussereignissen entstehen in der Regel gesunde zwischenmenschliche Bindungen - sowohl emotional als auch sozial und kulturell. "Aktives Genießen muss konsequent gefördert werden, denn passive Berieselungen bieten allenfalls Pseudo-Entspannung. Sie schaffen nicht den Ausgleich, den Kinder brauchen, um die Herausforderungen des Alltags dauerhaft zu meistern", so Lutz. Fernsehen zum Beispiel verschaffe Hirn und Geist zwar Spannung, nur selten aber echte geistige Stimulans im positiven und ausgleichenden Sinne. Insbesondere für Kinder sind die blitzschnellen Bildfolgen und die überwältigende Fülle an Informationen kaum zu verarbeiten. "TV-Konsum, wie wir ihn heute im Durchschnitt in Familien erleben, sorgt also eher für Ver-, denn für Entspannung." Eltern müsse daher immer wieder verdeutlicht werden, dass sie aktiven Genuss mit ihren Kindern im Alltag konsequent realisieren sollten. "Das ist für eine gesunde Entwicklung der Kinder wichtig", so Lutz.

Über die Befragung:

TNS Emnid hat im Juni 2007 1.017 Eltern mit Kindern im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren bundesweit telefonisch zum Thema "Genuss" befragt. Die Zielgruppe wurde ausgewählt, weil der Arbeitskreis Ernährung des BDSI ermitteln wollte, wie Genuss im Familienverbund gelebt und eingestuft wird. Der definierte Altersausschnitt für Kinder ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die Kleinen in der Regel erst ab fünf Jahren in der Lage sind, Genuss klar zu artikulieren und über Genussempfindungen zu sprechen. Ab 13 Jahren beginnen sie jedoch, sich im Rahmen ihrer Pubertät aus dem Familienverbund zu lösen, in dem die dann Jugendlichen vor allem Gegenpositionen zu den elterlichen besetzen und somit eine zu ihren Eltern zunächst oft gegenläufig autarke Entwicklung nehmen.

Die vorliegende ist die letzte von insgesamt drei Veröffentlichungen des BDSI Genuss-O-Meters 2007.

Definition Genuss:

Genuss bezeichnet eine positive Sinneserfahrung, bei der mindestens ein Sinnesorgan beteiligt ist und die mit körperlichem und/oder geistigem Wohlbefinden verknüpft ist.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e.V. (BDSI)

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