Dienstag, November 28, 2006

Exkurs – Marketing in Russland 2 (Back to the roots)

Ueber die Metro-Verkaeufer in St. Petersburg

Nachdem ich gestern, ein wohl recht negatives (aber sehr reelles) Bild von russischen Verkaeufern gezeichnet habe, moechte ich heute auf ein anderes interessantes Phaenomen in diesem Zusammenhang eingehen – die russischen U-Bahn-Verkaeufer.

Hierbei handelt es sich um eine unbekannte Zahl an Menschen, die ausserhalb der Stosszeiten durch die U-Bahnen ziehen, um diverse Kleinartikel feilzubieten. Dabei ist das System recht fortgeschritten. Die Haendler sind in Gruppen unterwegs, wobei jeder Verkaeufer immer nur einen Waggon bedient und auf eine Warengruppe oder sogar nur auf ein einzelnes Produkt spezialisiert ist. Am naechsten Bahnhof rueckt jeder einfach einen Waggon weiter, an der Endstation wechselt man dann einfach als Gruppe auf einen anderen Zug. Die angebotenen Produkte sind recht vielfaeltig. Dabei handelt es sich unter Anderem um Zeitschriften, Taschenlampen und Software. Meine zwei Lieblingsprodukte sind der Glasschneider und das Stifte-Sortiment. Ersterer ist eine Art stabileres Cutter-Messer zum zerteilen von Glas, Fliesen und Spiegeln. Die Praesentation in der U-Bahn ist immer recht aufwendig – so werden ein halbes Dutzend verschiedenen Scheiben und Fliesen vor den Augen der staunenden Metro-Benutzer zerteilt. Das ganze ist sehr unterhaltsam. Ueber den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Kampagne kann ich nichts sagen, jedoch halte ich das Produkt fuer wenig auf die Zielgruppe abgestimmt... Ein Kollege in der U-Bahn meinte angesichts des Glas-Schneiders zu mir „Es ist absolut toll – aber wofuer zum Teufel brauche ich das?“ Da ist der Verkauf von Stiften schon ein realistischeres Ansinnen. Immer wieder begeistert mich der lange Werbetext, den die Verkaeufer gegen die laermenden Ansagen und das laute Rattern der U-Bahn herausschreien. Leider kann ich nicht genug Russisch um wirklich zu verstehen was sie sagen – aber da sie insgesamt knapp 2-3 Minuten fuellen, muss die Darstellung der Produktfaehigkeiten sehr ausfuehrlich sein. Es sind doch nur Stifte – Kugelschreiber, Bleistifte, Gelschreiber... Ich versuche mir dann immer vorzustellen wie man die verschiedenen Einsatzmoeglichkeiten anpreist – Mit diesem Stift kann man Buecher schreiben, Tabellen erstellen, Vertraege unterzeichnen, Skizzen anfertigen, Bilder malen...

Dabei stellt man einen wesentlich hoeheren Unternehmergeist fest, als zum Beispiel bei Ladenverkaeufern (wie im letzten Exkurs Russland beschrieben). Stifteverkaeufer koennen meist sogar mehrere Stifte in jedem Waggon absetzen. Ich begreife dieses Phaenomen als „Marketing – back to the roots“. Das Hausieren und das oeffentliche Feilbieten von Waren sind schliesslich die urspruengliche Formen des Marketing. Heutige Errungenschaften auf diesem Gebiet wie Internet-Marketing, TV-Kampagnen und Aehnliches verschleiern oft den Blick auf die absolute Grundfunktion – das Verkaufen um zu (ueber-)leben.

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